Sprache des Glaubens (3): Gleichnisse

Nachtrag:
Bitte beachten:
Nur in den dafür vorgesehenen Schulstunden daran arbeiten.
Nicht hetzen, es geht nicht um Schnelligkeit.
Ich mache keinen Druck – macht Ihr Euch auch keinen!
Es geht darum, es nachzuvollziehen – und zwar kritisch nachzuvollziehen.
Es geht um Sorgfalt.
Es gibt keine Hausaufgaben.
Achtet auf Pausen.

Bildhafte Sprache

Die Sprache ist sehr bildhaft. Schon die alten Griechen kennen den Satz: Achill kämpft wie ein Löwe. Sprichwörter leben von der Bildhaftigkeit: Morgenstund hat Gold im Mund. Oder: Er hat ein Herz aus Stein – was natürlich biologisch nicht geht. Aber damit hat man den Charakter eines Menschen präzise wiedergegeben. Dass auch wir heute in der rationalisierten Welt nicht auf bildhafte Sprache, auf Geschichten verzichten können, wurde schon angedacht. Hier kann es noch einmal unter Storytelling nachgelesen werden: https://mini.evangelische-religion.de/wir-tragen-verantwortung/

Gleichnisse kennen wir vor allem von Jesus von Nazareth. Er hat meisterhaft diese Gattung beherrscht. Aber wir finden sie nicht allein in der Jesus-Überlieferung, wir finden sie auch im Alten Testament und der außerjüdischen Literatur. Das Höhlengleichnis des Philosophen Plato wird ganz unten als Übergang zum nächsten Thema (Sprache des Glaubens 4) geboten. Der Clip dauert 21 Minuten.

Die Parabel des Propheten Nathan ist auch sehr bekannt geworden. Der Prophet Nathan ist ein Musterexemplar an Mut. Er tritt dem Herrscher frei entgegen und hält ihm einen „Spiegel“ vor. Herrscherspiegel kennen wir aus dem Mittelalter: Mit ihnen sollte Herrschern gezeigt werden, wie sich ein guter Herrscher benimmt, wenn er Gottes Willen tun möchte.

Aufgabe 1:
a) Wie geht Nathan vor, um dem Herrscher einen Spiegel vorhalten zu können?
b) Wie charakterisierst Du David anhand dieser Geschichte aus 2. Samuel 12 – was für ein Mensch war er?

Die wissenschaftliche Diskussion über Gleichnisse ist immens. Die Frage: Was gehört zur Gattung dazu, was nicht, wie sind Untergattungen zu bewerten usw.

Hier wird knapp auf Gleichnisse Jesu eingegangen.

Gleichnisse Jesu

Jesus verwendet unterschiedliche Gattungen, um seine Lehre zu formulieren. Er spricht nicht in Form von Göttermythen, auch nicht in der Form, dass er von Gottes Handeln in der Geschichte spricht. Er verwendet zum Teil Gleichnisse und zeigt damit: Gott ist (im Wort) nah. Gleichnisse sind eine kreative, dichterische Gattung (vgl. Kurzgeschichten). In dieser werden Alltagsbilder, Alltagserfahrungen seiner Zeitgenossen aufgegriffen und in neue Kontexte gestellt. Jeder kennt Senfkörner – und auf einmal wird es zu einem Gleichnis für Gottes und des Menschen Handeln. Jeder kennt (zumindest in der Vorstellung) Verletzte am Wegesrand – nun zeigt das Gleichnis auf, wie damit umzugehen ist. Die Bilder und die damit verbundenen Aussagen bleiben gültig, auch wenn sich die Alltagserfahrungen geändert haben (sollten), weil grundlegend Menschliches angesprochen wird. Gleichnisse kontrastieren: Welt Gottes – Welt der Menschen; Hierarchien, die Menschen in der Gesellschaft aufrichten, werden umgedreht: Erniedrigtes wird erhöht, Menschlichkeit contra gottloser Frömmigkeit.

Die Gleichniserzählungen setzen etwas voraus, was spannend ist: Menschen müssen in der Lage sein, die Bildebene nicht als die reale Ebene anzusehen. Also im Sinne des Sprichwortes: Er hat ein Herz aus Stein. Kleine Kinder können das noch nicht abstrahieren – manche Erwachsene auch nicht, und sie sagen: Der Mensch hat wirklich ein Herz aus Stein? Manche schauen dann ungläubig… Solche Schwierigkeiten liegen vor allem dann vor, wenn bildhafte, metaphorische (wie auch Ironie und Sarkasmus) Sprache nicht kulturell vermittelt wird. Wenn die jüdischen Zeitgenossen Jesu in der Sprache alttestamentlicher Texte „zu Hause“ waren, konnten sie die Texte gut verstehen – dennoch hatten manche ihre Schwierigkeit damit. So beklagt Jesus an einer Stelle, dass Menschen seine Gleichnisse nicht verstehen.

Mit Blick auf Gleichnisse ist weiter zu beachten, dass es nicht immer auf rationales verstehen ankommt. Es gehört zu alten Traditionen, in Rätselworten zu sprechen. Das kannten die alten Ägypter, wie auch Buddhisten. Rätselworte – also texte, die man nicht versteht – dienen dazu, lange über sie nachzudenken, sie damit zu verinnerlichen.

Gleichnisse werden unterteilt in

  1. Bildworte,
  2. Gleichnis im engeren Sinn (etwas Alltägliches wird geschildert),
  3. Parabel (ungewöhnlicher Einzelfall: Ziel der Parabel: Sinnesänderung;
  4. Beispielerzählung (Schilderung eines Sachverhalts mit dem Ziel der Verhaltensänderung).

Die Gleichnisse haben überwiegend folgende Themen:

  1. Reich-Gottes-Gleichnisse,
  2. ethisch orientierte Gleichnisse,
  3. Gottes Sein und Handeln,
  4. Stellung des Menschen zu seinem eigenen Handeln.

Zu (1) Das Reich Gottes – die Gottesherrschaft – kann nicht in Worte gefasst werden. Der Mensch würde das nicht verstehen. Jesus verwendet darum Bilder aus dem Alltag, die der Mensch kennt, und lässt durch diese das Wesen der Gottesherrschaft durchscheinen. Das Reich Gottes ist wie ein wachsendes Senfkorn (Senfkorn, Sauerteig…), es ist wie ein Schatz im Acker, dessentwegen der Mensch alles, was er hat, weggibt, um ihn zu bekommen. Zum anderen: Der Mensch soll bereit sein, wenn Gott seine Herrschaft aufrichtet (10 kluge und törichte Frauen).

Zu (2) Der Herrschaft Gottes entspricht es, sich in einer ganz bestimmten Art und Weise zu benehmen: einander grenzenlos und vergebend zuzuwenden (Barmherziger Samariter; Schalksknecht).

Zu (3) Gott ist anders, als viele Zeitgenossen Jesu dachten. Er nimmt den Sünder wie ein Vater auf (Verlorener Sohn), er wendet sich den Gebeten der Menschen zu (Nächtlicher Nachbar, Bittende Witwe), er ist gerecht (Weinbergbesitzer).

Zu (4) Jesus lebte in Auseinandersetzung mit seinen Gegnern. Darum haben manche auch dieses Thema im Blick (Sohn des Weinbergbesitzers).

Im Laufe der Kirchengeschichte wurden Gleichnisse unterschiedlich ausgelegt:

  1. Allegorische Auslegung: Jedes Detail eines Gleichnisses wird mit Bedeutung belegt, wird erklärt.
  2. Zentraler Vergleichspunkt: Es wird der wesentliche Aspekt eines Gleichnisses gesucht.
  3. Metaphern: Die gegenwärtige Forschung versucht überwiegend, das Gleichnis als Einheit zu verstehen, das als Ganzes den Menschen in das Erzählte hineinziehen möchte. Stichwort: Metaphern sind wirksam. Gleichnisse verstehen, ist ein kreativer Akt.

Anmerkungen zur Gleichnis-Auslegung:

Aufgabe 2: Lies das Gleichnis vom Senfkorn (Markus 4,30-32). Versetze dich in die Situation, in der es erzählt werden konnte. Dann lies das Folgende.
Der Text: https://www.bibleserver.com/LUT/Markus4%2C30

Ausgangspunkt des Ansatzes: Jesus greift keine Erinnerungen auf, sondern die ganz konkrete Situation. Er sitzt mit seinen Jüngern an einem ganz heißen Tag im Schatten eines Baumes. Senfpflanzen sind um ihnen her. Die Spatzen sitzen im Baum und zwitschern herum. Sie ruhen sich aus. Da fragt einer: Was ist das Reich Gottes? Jesus reagiert mit dem Gleichnis. Die Zuhörer haben etwas zu denken – aber nicht nur zu denken. Sie fühlen auch gleichzeitig. Das Reich Gottes: Es geht uns gut, die Hitze wird vom Schatten weggehalten, die Vögel zwitschern vergnügt,… Denken wird mit Emotion verbunden. Aber wie nun kann aus einer kleinen Senfpflanze ein Baum werden? Das ist Gottes Werk. Menschen tun das ihre – säen… – das andere ist Gottes Tat. Und so ist es hilfreich, auch andere Gleichnisse auf dieses emotionale Element hin zu untersuchen.

In dem Gleichnis vom Schalksknecht (Matthäus 18,21-35: https://www.bibleserver.com/LUT/Matth%C3%A4us18%2C21 ) heißt es, dass einer von seiner Schuld frei gesprochen wurde, dann aber einen Mitknecht massiv angeht. Als Hörer freut man sich mit dem frei gesprochenen Knecht – ist dann jedoch empört über ihn, dass er so herzlos ist – und findet zuerst das Verhalten des Herrn gerecht, der dann sein Urteil revidiert – das findet man dann auch gerecht. Man wird auf eine emotionale Achterbahn geschickt, wird als Zeuge mit in die Geschichte einbezogen. Und selbst weiß man nun, dass es gerecht ist, sich anders zu verhalten als der üble Knecht.

Aufgabe 3:
a) Lies das Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner (Lukas 18,9-14 https://www.bibleserver.com/LUT/Lukas18%2C9-14 ).
b) Sage mit wenigen Worten, worum es geht.
c) War Jesus gegen die Taten, die der Pharisäer an sich selbst hervorgehoben hat? (Er ist kein Räuber…)
d) Was macht der Pharisäer falsch, was macht der Zöllner richtig?
e) Vorsicht Falle! Was macht man als Hörer des Gleichnisses mit Blick auf den Pharisäer?

9 Er sagte aber zu einigen, die überzeugt waren, fromm und gerecht zu sein, und verachteten die andern, dies Gleichnis: 10 Es gingen zwei Menschen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. 11 Der Pharisäer stand und betete bei sich selbst so: Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die andern Leute, Räuber, Ungerechte, Ehebrecher, oder auch wie dieser Zöllner. 12 Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme. 13 Der Zöllner aber stand ferne, wollte auch die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig! 14 Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, nicht jener. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.

Die Gleichnisse Jesu waren sehr wirkmächtig. Sie haben das Verhalten in der Gesellschaft massiv geprägt. So waren Gleichnisse wie das vom barmherzigen Samariter (https://www.bibleserver.com/LUT/Lukas10%2C25 ) oder das vom Weltgericht (Mt 25,31ff. https://www.bibleserver.com/LUT/Matth%C3%A4us25%2C31 ) mit Auslöser für die Diakonie/Caritas. Sie wurden Maßstab vieler sozial engagierter Christen und dienten auch als Argument mit Blick auf Missachtung von Menschenrechten. Sie veränderten Individuen wie Gesellschaften. Gleichnisse deuten Wirklichkeit aus einer neuen Perspektive – und versuchen die Wirklichkeit entsprechend zu verändern.

Aufgabe:
In einem Lied, das in einem Liederbuch zur Befreiung der Sklaven in den USA 1840 zu finden ist, werden Gleichnisse angesprochen. Erkennst Du zwei der oben genannten wieder?

Höhlengleichnis des Platon

Gleich werdet Ihr in das Höhlengleichnis des Platon eingeführt werden. Es war mit Blick auf die Philosophie sehr wegweisend. Ihr werdet merken, dass Erklärungen immer länger sind, als die Gleichnisse selbst. In den Gleichnissen Jesu geht es nicht um lange Erklärungen. Es geht darum, sich hineinziehen zu lassen. Jesus hatte auch keine Erkenntnistheorien philosophischer Art und entsprechend auch nicht mit philosophisch denkenden Menschen zu tun. Er hat Menschen vor sich, die sich in ihrem normalen Alltag behaupten müssen: Wie gehen wir miteinander um? Was hat Gott mit meinem Leben zu tun? Das Höhlengleichnis entwickelt in einer Art Dialog einen philosophischen Gedanken.

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Das Höhlengleichnis des Platon im Kontext der Philosophiegeschichte.

Aufgabe:
a) Gib das Höhlengleichnis mit eigenen Worten kurz wieder. Als Text findest Du ihn hier: https://www.studium-universale.de/platons-h%C3%B6hlengleichnis-textht.

b) Was unterscheidet – rein von der Form her – das Höhlengleichnis von den Gleichnissen Jesu?

c) Am Höhlengleichnis und der massiven Rezeption erkennt man: Auch Philosophen lieben bildhafte Sprache auch wenn Abstraktionen ihre Schriften vielfach bestimmen. Wir Menschen sind entsprechend konditioniert. Welche Märchen fallen Dir ein – aus welchen Zusammenhängen kennst Du sie?