Philanthropie und Nächstenliebe (Agape)

Philanthropie und Nächstenliebe

(Die Abschnitte 1. und 2. sind zum Teil eine Zusammenfassung der Artikel Nächstenliebe und Philanthropie aus Wikipedia 10.4.2018: Details siehe dort. Mit Erweiterung auf Einfluss der Liebe Gottes auf die Liebe des Menschen.)

1. Philanthropie

Nächstenliebe ist spezifisch jüdisch-christlich (Ansätze gibt es wohl auch in der ägyptischen Tradition). In der griechisch-römischen Antike gab es freilich auch so etwas, das wurde nur Philanthropie genannt: Phil bedeutet Freund; Anthropie/Anthropos kommt vom Wort für Mensch. Der Philanthrop ist ein: „Menschenfreund“. Die Philanthropie bezeichnete zunächst die wohlwollende, anständige Zuwendung der Elite zu den Massenmenschen. Menschenfreundlich waren vor allem, so dachten die Athener, die Athener. Alle anderen waren eher Barbaren, also keine Menschenfreunde, sondern roh, grausam. Das wurde von den Römern übernommen – wandelte sich dann aber und man meinte, dass alle Menschen menschenfreundlich sein können; vor allem der römische Philosoph Seneca (4 vor Christus bis 65 n.Chr.) meinte das und dann vor allem der historische Schriftsteller Plutarch (45-127 n.Chr.). Aber Philanthropie hatte überwiegend im Hintergrund: Durch Wohltaten, die man anderen gibt, bekommt man unterschiedlichste Arten von Anerkennung und Gefolgschaften und Stimmen bei Wahlen (Klientel-Patronat) usw. So konnten selbst die Stiftungen von (grausamen) Zirkusspielen (Kolosseum) als solche Wohltat/Philanthropie angesehen werden, denn es ging in der Philanthropie auch darum, den gesellschaftlichen Zusammenhalt einer Stadt zu fördern. Von daher konnten Menschen, die nicht zur Stadt gehörten bzw. sich in der Stadt kriminell verhalten haben, zum Wohl der Stadt schlimm behandelt werden. In der Zuwendung zu Menschen, die unverschuldet in Armut geraten sind, ging es nicht wirklich um die Armen, Notleidenden, es ging nicht darum, deren Situation zu ändern. Man handelte an ihnen eher gut, damit die Einheit der Stadt nicht gefährdet würde.

Philanthropie ist also ein sehr schillernder Begriff.

2. Nächstenliebe

Nächstenliebe, griechisch „Agape“, wie sie Jesus aufgrund seiner jüdischen Tradition prägte, hat eine andere Intention. Es geht hier nicht von oben nach unten, also von der wohlhabenden Elite zu den armen Menschen, sondern jeder Mensch hat die Aufgabe, sich für den anderen einzusetzen (zu dienen). Somit geht die Hilfe nicht von oben nach unten, sondern findet auch auf gleicher Ebene statt. Es geht auch nicht nur um Wohltaten, sondern um Nothilfe, die allen gilt, und nicht nur den Menschen der eigenen Stadt, der eigenen Familie usw., es geht auch nicht nur um unverschuldet Verarmte, sondern um alle. Die Motivation ist nicht, dass man Lohn und Anerkennung bekommt, Klientel-Macht, sondern es geht um den Mitmenschen, dem man sich im Auftrag Gottes zuwenden muss, weil Gott in ihm anwesend ist (Mt 25,31ff.). Dank bekommt man von Gott – und erwartet diesen nicht von Menschen. Aber: Wie Mt 25,31ff. zeigt, ist diese Verhaltensweise keine Besonderheit von Menschen mit einem bestimmten Glaubensbekenntnis, sondern auch ohne ein solches handeln Menschen entsprechend. Wohl spielt hier der Aspekt Mitleid mit. „Vorbild“ dieser Liebe ist Gott selbst, der sich Menschen zuwendet und für den Menschen in Jesus Christus aus Liebe gestorben ist. Weil Agape und Philanthropie so unterschiedlich sind, haben Christen des Westens diese beiden Begriffe auch getrennt und nicht zusammen geführt.

Aufgabe 1: Erstelle eine Liste und stelle gegenüber: Was bedeutet Philanthropie, was Nächstenliebe (Agape)?

Aufgabe 2: Was denkst Du: Worin bestehen Vor- und Nachteile von Philanthropie und Nächstenliebe?

3. Zusammenwachsen von Philanthropie und Nächstenliebe

Die Philanthropie und die Agape wuchsen dann jedoch zusammen – deutlich im 3.-4. Jahrhundert nach Christus. So wurde die Philanthropie mit Frömmigkeit verbunden (durch den Christenkritiker und Neuplatoniker Porphyrius: ca. 233-301) sodass der Philosoph und Redner Themistios (317-387) sagen konnte: Gott ist als mächtigstes Wesen der größte Menschenfreund (mit Blick auf den Kaiser, der entsprechend menschenfreundlich sein soll wie Gott).

Das heißt, die christliche Botschaft, dass Gott den Menschen liebt und der Mensch diese Liebe weitergeben soll, wurde heidnisch aufgegriffen und uminterpretiert. Entsprechend sollte dann unter dem Kaiser Julian (Herrschaft 360-363), der die alte römische Frömmigkeit wieder einführen und das Christentum zurückdrängen wollte, eine christlich veränderte Definition von Philanthropie die Agape ersetzen. Philanthropie im alten Sinn konnte nicht mehr wiederbelebt werden. Die christliche Intention hatte diese schon zu sehr umgeprägt. Kaiser Julian regierte nur sehr kurz, sodass Christen Nächstenliebe in ihrem Agape-Sinn weiterführen konnten. Mancherorts allerdings wurde dann Nächstenliebe immer wieder durch Philanthropie ersetzt – was man bis heute erkennen kann. Aber auch die Philanthropie beeinflusste die Nächstenliebe: Die ersten Krankenhäuser wurden von Christen entwickelt. Diese wurden von reichen Christen unterstützt. Hieran kann man vielleicht die Mischung von Nächstenliebe und Philanthropie erkennen: Nächstenliebe – es geht um die durch Gott veränderte Gesinnung, die den Menschen dazu bringt, sich anderen zuzuwenden, ihnen zu dienen. Anderen dienen – das ist ein ganz wesentlicher Aspekt christlicher Nächstenliebe. Im Johannesevangelium (Kapitel 13) wird berichtet, dass Jesus seinen Jüngern die Füße wusch. Er hat damit das getan, was die Aufgabe von Sklaven war. Und dann heißt es:

Ein Beispiel habe ich euch gegeben,
damit ihr tut,
wie ich euch getan habe.

Dienen gehört also zur Agape dazu.

Philanthropie – im christlichen Verständnis bedeutet, dass die soziale Elite andere unterstützen muss. Sie muss mit ihrem Besitz dienen. Die Gemeinden haben auf diese Weise Armenspeisungen finanziert, Schulen, Aufnahme von Findelkindern… – das wurde dann bis in unsere Zeit hinein weiter entwickelt, vom Staat übernommen und führte dann zu unserem Sozialsystem. Das hat heute jedoch nichts mehr mit „dienen“ zu tun, man zahlt Steuern bzw. gibt als Spende von dem ab, was man geben möchte.

Aufgabe 3:
In diesem Abschnitt wurde ein Begriff eingeführt, der die Besonderheit der Nächstenliebe hervorhebt. Um welchen Begriff geht es? Was ist das besondere daran? Schreibe es auf.

4. Bedeutung der christlichen verstandenen Liebe – als Dienst – zur Fragestellung für das Thema Liebe

Männer und Frauen heiraten einander. Das aus unterschiedlichsten Gründen. In der Antike war es üblich, dass die Familienoberhäupter die jeweiligen jungen Menschen zusammenführten.

Das hatte zur Folge, dass es manchmal in der Ehe klappte, manchmal nicht. Das System war patriarchalisch ausgerichtet, das heißt, die Frau gehörte dem Mann. Der Mann kann sein sexuelles Leben auch außerhalb der Ehe regeln, Ehe diente im Wesentlichen dem Erhalt der vom Mann gewünschten Nachkommenschaft bzw. auch auf höherer gesellschaftlicher Ebene der Mehrung des Besitzes. Für die Frau war das freie Leben normalerweise nicht möglich. Allerdings muss man unterscheiden: Oberschicht – Unterschicht und die jeweiligen Regionen. manchmal konnten sich Frauen mehr erlauben – manchmal nicht.

Nun kommt der christliche Glaube ins Spiel:

So heißt es im Epheserbrief 5,21ff.: Ordnet euch einander unter in der Furcht Christi.

  • a) Ihr Frauen ordnet euch euren Männern unter wie dem Herrn. Denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Gemeinde ist – er hat sie als seinen Leib gerettet. …
  • b) Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch Christus die Gemeinde geliebt hat und hat sich für sie dahingegeben, um sie zu heiligen… So sollen die Männer ihre Frauen lieben, lieben wie ihren eigenen Leib. Wer seine Frau liebt, liebt sich selbst…

Das patriarchalische System wird unterlaufen – gleichzeitig aufrechterhalten. Aber die Liebe bekommt nun einen ganz anderen Stellenwert. Die Partnerschaft bekommt eine ganz neue Bedeutung. Beide Ehepartner werden aufeinander gewiesen und darauf fixiert, dass sie beide einander unterordnen sollen – allerdings im Rahmen der patriarchalischen Gesellschaft. Aber die patriarchalische Gesellschaft bleibt nicht mehr wie sie war, auch wenn sie in den späteren Jahrhunderten weiterhin den Text aus der patriarchalischen Perspektive ausgelegt hat und sich entsprechend auf die Unterordnung der Frau konzentriert hat.

Auch daran sieht man die ständige Auseinandersetzung zwischen Gott und Mensch: Gott will den Menschen in eine mitmenschliche Richtung lenken – aber der Mensch lässt das immer wieder ins Leere laufen (vgl. Frieden, Sklaverei…). Der Kolosserbrief (Kapitel 3) gibt den Text, den wir im Epheserbrief vorfinden, in einer kürzeren Version wieder mit Blick auf Unterordnung der Frau und dem angemessenen Verhalten des Mannes ihr gegenüber. Das ist kein Rückfall, denn man muss diese kurzen Aussagen in den gesamten Kontext einordnen. (Siehe Kolosserbrief Kapitel 3.)

Im christlichen Bereich mussten Frauen und auch Männer nicht heiraten. Es entwickelte sich daraus langsam das Klosterleben, das heißt Menschen, die nicht heiraten, leben zusammen, sind auf diese Weise geschützter. Nonnen und Mönche sahen es immer wieder als ihre Hauptaufgabe an, Menschen zu dienen. Und so sind viele in allen möglichen sozialen Bereichen tätig. Im Evangelischen Bereich nennt man die unverheirateten Frauen, die zum Beispiel in Krankenhäusern arbeiteten, Diakonissen. Das Wort kommt von diakonein – dienen.

5. Zusammenführung der Themen: Dienen

Der Glaube, dass Gott den Menschen liebt, beeinflusste das Zusammensein der Ehepartner und die Philanthropie, die Zuwendung zu den Menschen: 1. Korinther 13 zeigt, dass das Zusammenleben der Menschen in ein ganz neues Licht gestellt wird: Nächstenliebe und Liebe von Mann und Frau werden mit Blick auf den christlichen Glauben in der Grundhaltung des „Dienens“ zusammengeführt. Dienen bedeutet auch aus christlicher Perspektive, dass man das Gute, das man tut, nicht an die große Glocke hängt und das hinausposaunt. Also anders als die Philanthropen damit kein Ansehen gewinnen will, sondern um des Menschen Willen hilft und dient. Ein anderes Wort Jesu weist darauf hin, dass man Menschen dienen soll, weil man Gott dient. Es ist also nichts Besonderes dabei.

Aufgabe 4
Lies zur Auffrischung: https://www.bibleserver.com/LUT/1.Korinther13

Aufgabe 5
Findest Du die Sichtweise Jesu gut, dass man im Stillen Gutes tun soll? Spricht etwas dagegen? Schreibe pro und contra auf.

Aufgabe 6
Lies diesen Artikel: https://www.welt.de/print/die_welt/politik/article149552157/Die-groessten-Philanthropen-der-Welt.html
Worin besteht der Unterschied zu der oben genannten Vorstellung Jesu?