Helfend handeln 3: Menschenwürde

In Bearbeitung

Was bedeutet die Aussage des Grundgesetzes:

Artikel 1 (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

Aufgabe 2b:
Um das ein wenig besser verstehen zu können, muss man auch die folgenden Artikel lesen: https://www.bundestag.de/parlament/aufgaben/rechtsgrundlagen/grundgesetz/gg_01
Was wird in den folgenden Artikeln angesprochen? Was gehört zur Würde dazu? Zähle schriftlich auf: Artikel 2…; Artikel 3…; …https://www.youtube.com/embed/4XGICg9PxzY?feature=oembed

Würde des Menschen

Dass wir von der Würde des Menschen sprechen, ist nicht selbstverständlich. Es hat einen langen Prozess in der Menschheitsgeschichte benötigt, in der sich das, was unter Würde zu verstehen ist, langsam herausgebildet hat. Dieser Prozess ist immer noch nicht abgeschlossen, wenn man zum Beispiel daran denkt, dass es noch immer Sklaverei gibt.

Ein paar Eckpfeiler seien genannt, die für die Argumentation der Würde des Menschen eine große Rolle spielten:

  1. Im nichtjüdischen Bereich hatte der Mensch Würde, der würdevoll ist; das heißt, in der Gesellschaft Ansehen hat und sich entsprechend wie die jeweilige Zeit es vorgab, würdevoll verhält. So zum Beispiel einer, der sich selbst beherrschen kann, der den Platz in der Gesellschaft einnimmt, der ihm zugewiesen wurde. Langsam kam auch der Gedanke auf, dass alle Würde haben, weil sie Menschen sind und Verstand haben. Die Natur gibt vor (Naturrecht), dass Menschen Würde haben (Marcus Tullius Cicero: 106-43 vor Christus). Damit wurde aber gleichzeitig auch argumentiert: Sklaven haben von Natur aus keine Würde.
  2. Im ersten Schöpfungsbericht der Bibel (Genesis 1) steht, dass der Mensch Ebenbild Gottes ist. Das bedeutet nicht, dass der Mensch so aussieht wie Gott, sondern dass Gott dem Menschen von seinem Wesen (Wesenswürde) und seinem Handeln (Gestaltungswürde) her Würde gegeben hat. Das gilt für Frau und Mann, gilt für Herrscher wie Untertanen. In der Zeit, als der Text geschrieben wurde, ca. 600 vor Christus, waren die Herrscher Söhne der Götter, also besonders privilegiert. Der jüdische Text sagt: So ist es nicht – jeder Mensch ist Ebenbild Gottes.
  3. Im zweiten Schöpfungsbericht Genesis 2 (ca. 1000 vor Christus) steht, dass Gott den Menschen durch seinen Atem/Geist belebt hat. Das bedeutet: jeder Mensch hat von Gott den Geist bekommen, darum lebt er.
  4. Jesus von Nazareth (ca. 5v.Chr-30 n.Chr.) sagte, dass Menschen in Gottes Reich kommen werden. In diesem Reich gibt es Schalom (Friede, Wohlergehen, Gerechtigkeit, Gemeinschaft usw.). Menschen sollen miteinander schon entsprechend umgehen. Das heißt: Man muss die Würde des Menschen achten.
  5. Das nächste immer wieder herangezogene Argument: Gott wurde in Jesus Christus Mensch. Das bedeutet, dass der Mensch als Mensch aufgewertet wird. Nicht darum, weil er irgendwas besonderes leistet, hierarchisch höher steht als andere. Der Mensch als Mensch ist wichtig (Wesenswürde), nicht darum, weil er etwas Besonderes kann (Gestaltungswürde), sondern weil Gott den Menschen groß macht.
  6. Der Bischof Ambrosius von Mailand (339-397) hat erniedrigten Menschen gesagt: Jesus Christus wurde bis hin zur Folter erniedrigt und hingerichtet. Darum haben erniedrigte Menschen Würde – sie dürfen wissen, dass sie Würde haben, auch wenn Menschen sie entwürdigen. Gott gibt ihnen in Jesus Christus Würde. Anders gesagt: Jesus ist für alle gestorben – das nennt man Rechtfertigungslehre – darum haben alle Würde. Seit dieser Zeit ist auch das Wort für „Würde“ wichtig geworden: dignitas.
  7. Mit Blick auf die Würde und Rechte der Frauen wurde auch immer wieder darauf hingewiesen, wie respektvoll Jesus Christus mit Frauen umgegangen ist.

Aufgabe 3:
(a) Male eine Mindmap mit den wichtigsten Stichpunkten der jüdischen und christlichen Begründung von Menschenwürde.
(b) Formuliere: Was ist der Unterschied zwischen Wesenswürde und Gestaltungswürde?
(c) Hat aus Deiner Perspektive der Mensch eher Wesenswürde oder eher Gestaltungswürde oder beides?
(d) Was wäre wenn nur Gestaltungswürde zählen würde? Denke dabei an alte, kranke und behinderte Menschen – und denke daran: Wer würde bestimmen, angesichts welcher „Gestaltung“ Menschen Würde / Nicht-Würde haben?

Diese Argumente wurden dann im Mittealter bis in die Neuzeit hinein immer wieder als Begründung aufgenommen. Dann versuchte sich die Philosophie von dem christlichen Glauben zu lösen. Dass alle Menschen Würde haben, wird beibehalten, wird aber ohne Blick auf die Religion begründet.

  1. Wesentlich wurde Immanuel Kant (1724-1804) Die Autonomie der Vernunft des Menschen ist Grund der Würde. Der Mensch darf andere nicht für seine Wünsche benutzen. Anders gesagt: Der Mensch darf den anderen nicht als Mittel für seine Zwecke verwenden. Würde ist absolut, das heißt: dem ist so – das kann nicht hinterfragt werden. Die Frage ist allerdings, wenn Kant die Vernunft so sehr hervorhebt, wieweit Würde bei Kant auch für die geistig Behinderten gilt, also für Menschen, die nicht die Vernunft einsetzen können. Während er in der Moralphilosophie eher Behinderte ausschließt, werden sie in der Metaphysik der Sitten eher eingeschlossen. Eine mögliche Antwort: In jedem Menschen ist die Vernunft unvollständig – und darum gilt die Würde der Menschheit als Ganzes.
  2. Nach Kant gab es weitere philosophische Versuche, das zu begründen. Die sogenannte Mitleidsethik des Philosophen Schopenhauer (1788-1860) sagt, dass der Mensch den anderen automatisch würdigt, da er Mitleid mit dem anderen hat.
  3. Die gegenwärtige Diskursethik ist allerdings anderer Meinung: Man muss über alles diskutieren, bis man eine Lösung bekommen hat – das gilt eigentlich auch für das Thema Würde. Da man aber nie zu einem letztgültigen Urteil kommen wird, behält man die Tradition solange bei, bis man eine gemeinsame Antwort gefunden hat.
  4. Andere betonen ein Abgestuftes Menschenwürde-Konzept, das heißt: Für jeden Menschen haben manche mehr Würde als andere, z.B. Wen würde man aus einem brennenden Haus zuerst retten? Die Familie, dann erst diejenigen, die nicht zur Familie gehören, und da auch noch mal abgestuft… (Manche würden wahrscheinlich nicht zuerst die Familie retten, sondern die Katze.)

Aufgabe 4:
Lies diese vier Punkte: Kannst Du diese nachvollziehen? Stimmt es mit Deinen Beobachtungen überein, zum Beispiel, dass alle Menschen Mitleid haben, dass man nur reden muss – man kommt immer zu Lösungen, dass es ein abgestuftes Würdekonzept gibt?