Krieg – Gebetsliturgie der BK

Situation: Die evangelische Kirche in Deutschland war gespalten. Deutsche Christen (DC), die große Teile der Kirchenleitungen beherrschten, scharten sich um Hitler; Christen der Bekennenden Kirche (BK) wandten sich gegen eine Auslieferung der Kirche an den Nationalsozialismus. Angesichts eines drohenden Krieges, verursacht durch Hitlers Vorhaben, die Tschechoslowakei anzugreifen, haben ein paar Männer der Bekennenden Kirche eine Gebetsliturgie verfasst. Diese sollte am 30.9.1938 von den der BK zugehörenden Pfarrer gebetet werden (an dem Tag, an dem das „umstrittene“ Münchner Abkommen [Chamberlain] geschlossen wurde). Das wurde aufgrund der vorläufigen Abwendung des Krieges und des Einsatzes der Gestapo zwar nicht gemacht, hat aber eine massive Auseinandersetzung innerhalb der Kirche und mit dem Staat zur Folge gehabt – einschließlich eines scharfen Angriffs durch das Schwarze Korps der SS. Vorwurf: Volks- und Staatsverrat. Pflicht des Staates sei das Ausmerzen politisierender Pastoren, dieser Verbrecher. Den Verantwortlichen wurde das Gehalt gestrichen und sie wurden mit der Einweisung in ein KZ bedroht.

(Ich muss gestehen: Leider weiß ich nicht mehr, ob ich diesen oben geschriebenen Text selbst verfasst habe. Ich vermute allerdings: ja. Laut datiertem Dokument müsste er am 26.2.2020 entstanden sein. Den folgenden Absatz habe ich heute geschrieben:)

Dieser Text ist auch aus der Sicht spannend: Ich denke, dass heute nur wenige diesen so übernehmen würden, weil sich die Theologie geändert hat. Von daher ist der Text als Zeitzeugnis äußerst wichtig – auch in der Frage: Ist unsere Theologie eines in Sicherheit lebenden Europas unserer Vergangenheit zu leichtfertig? Dazu der Rückgriff auf Lieder aus Zeiten, in denen Menschen unter Kriegen gelitten haben. Es ist ein Zeugnis nicht nur aus dem 20. Jahrhundert – dadurch auch ein Zeugnis aus vielen Jahrhunderten. Diese Worte sind vielfach Worte von Menschen, die angesichts der politischen Arroganz und Machtsucht der Herrscher ohnmächtig zu leiden hatten. Um so wichtiger ist – aber wir sehen es ja auch in unserer Zeit, wie viel noch getan werden muss – die reale Friedensarbeit im Vorfeld von Kriegen. Das scheinen viele noch nicht zu verstehen, dass zur Friedensarbeit auch gehört, aufeinander zu hören, statt seine eigene Sicht arrogant durchzusetzen. Militärische Abschreckung ist aus meiner Sicht notwendig – aber es muss die Waage gehalten werden, denn militärische Abschreckung führt nicht zum Frieden – sondern eben nur zur Abschreckung. Weiteres zu dem Thema: https://evangelische-religion.de/ReligionNeu/mensch/frieden-krieg-2/

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Diese Gebetsliturgie, die ein kleiner Lichtblick im großen Versagen der Kirchen ist, hatte folgenden Wortlaut (die gegenwärtigen Nummern der Lieder wurden nachgetragen)

Joachim Beckmann (Hg): Kirchliches Jahrbuch. 1933-1944; Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn, 2. Auflage 1976 (1. Auflage 1948) 256-258 (auf den weiteren Seiten Verteidigungen der Gebetsliturgie).

  1. Lied 140: Aus tiefer Not (gegenwärtiges Gesangbuch [EG] 299)
  2. Liebe Gemeinde! In den großen Nöten, die uns betroffen haben, wenden wir uns von Herzen zu Gott, der unsere Zuversicht und Stärke ist, um sein Wort zu hören und zu ihm zu beten. So höret denn Gottes Wort, wie es geschrieben steht im 32. Psalm: Wohl dem Menschen, dem der Herr die Missetat nicht zurechnet, in des Geist kein Falsch ist…
  3. Gebet: Lasset uns Gott unsere Sünde bekennen und im Glauben an unsern Herrn Jesum Christum um Vergebung bitten: Herr unser Gott, wir armen Sünder bekennen vor Dir die Sünde unserer Kirche, ihrer Leitung, ihrer Gemeinden und ihrer Hirten. Durch Lieblosigkeit haben wir den Lauf Deines Wortes oft gehindert, durch Menschenfurcht Dein Wort oft unglaubwürdig gemacht. Wir haben ein falsches Evangelium nur zu sehr geduldet. Wir haben nicht so gelebt, daß die Leute unsere guten Werke sehen und Dich preisen konnten. Wir bekennen vor Dir die Sünden unseres Volkes. Dein Name ist in ihm verlästert, Dein Wort bekämpft, Deine Wahrheit unterdrückt worden. Öffentlich und im Geheimen ist viel Unrecht geschehen. Eltern und Herren wurden verachtet, das Leben verletzt und zerstört, die Ehe gebrochen, das Eigentum geraubt und die Ehre des Nächsten angetastet. Herr, unser Gott, wir klagen vor Dir diese unsere Sünden und unseres Volkes Sünden. Vergib uns und verschone uns mit Deinen Strafen. Amen.
  4. Lied 34: O Lamm Gottes (EG 190,1)
  5. Schriftverlesung: In diesen Zeitläufen, da der Kriegslärm die ganze Welt erfüllt, laßt uns auf Gottes Wort hören und zu Herzen nehmen, daß Gott ein Herr über Krieg und Frieden ist.(*) Höret Gottes Wort, wie es geschrieben steht im 85. Psalm: Herr, der Du bist vormals gnädig gewesen Deinem Lande und hast die Gefangenen Jakobs erlöst…
  6. Gebet: So laßt uns denn Gott darum bitten, daß er uns und unser Land gnädiglich vor Krieg bewahre (vom Krieg erlöse) und uns und unseren Kindern Frieden schenke! Stille. Herr, unser Gott, wende den Krieg von uns ab! Lenke Du den Regierenden in allen Völkern das Herz. Gib, o Gott, daß sie ihr Land zum Frieden regieren! Amen.
  7. Lied 92: Es wolle Gott uns gnädig sein. (EG 280)
  8. Schriftverlesung. Wenn (Weil) aber Gott in seinem unerforschlichen Rat uns mit Krieg straft, so wollen wir uns seiner Verheißung getrösten. Höret Gottes Wort, wie es geschrieben steht im 91. Psalm: Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt …
  9. Gebet: Wir gedenken vor Gott aller derer, die zu den Waffen gerufen sind. Gott wolle sie stärken, wenn sie Heimat und Herd, Weib und Kind verlassen müssen, wenn sie unter mancherlei Entbehrungen vor dem Feinde liegen, wenn sie verwundet werden oder erkranken, wenn sie in Gefangenschaft geraten oder wenn der Tod sie ereilt. Stille (2 Minuten). Herr, unser Gott, nimm Dich aller unserer Soldaten in Gnaden an, lenke ihr Geschick. Stärke sie an Leib und Seele. Behüte sie in Gefahr. Gib ihnen gute Kameraden. Verlaß sie nicht mit Deinem Wort. Mache Du selbst unter ihnen Menschen willig und fähig, die von Deinem Worte und Deinem Heil zeugen. Amen.
  10. Lied 305: Mitten wir im Leben sind … (EG 518)
  11. Schriftverlesung: Wir wissen, daß ein Krieg auch für die ganze Heimat viel Sorgen und Gefahren mit sich bringt. Wir wollen uns dafür trösten lassen mit göttlichem Trost. Höret Gottes Wort, wie es geschrieben steht im Evangelium Matthäus im 6. Kapitel, Vers 25-34: Darum sage ich euch: Sorget nicht für euer Leben, was ihr essen und trinken werdet …
  12. Gebet: Wir gedenken der Mütter, die um ihre Söhne bangen, der Frauen, die auf ihren Gatten warten, der Kinder, denen der Vater fehlt. Wir bitten für die Arbeiter und Arbeiterinnen in den Kriegsbetrieben, für alle, die für des Volkes täglich Brot sorgen wollen, auch für alle Einsamen, deren Schicksal vergessen wird. Stille (2 Minuten). Herr, unser Gott, nimm Dich der Heimat gnädig an. Sei Du selbst der Verlassenen Vater und Berater. Erhöre die Gebete derer, die zu Dir schreien. Gib unserem Lande Frieden, o Gott. Amen.
  13. Lied 211: Wenn wir in höchsten Nöten sein … (366)
  14. Schriftverlesung: Unser Herz ist voller Sorge, wenn wir der Versuchungen gedenken, welche jeder Krieg mit sich bringt. Wir vernehmen darum mit Ernst die göttlichen Gebote, weil Gott sein Recht nicht mit Füßen treten lassen will. Höret Gottes Wort, wie es geschrieben steht im 94. Psalm, Vers 1-15: Herr Gott, der die Rache ist, Gott, des die Rache ist, erscheine …
  15. Gebet: Wir gedenken vor Gott der Jungen und Alten, die aus ihrem geordneten Lebensgang gerissen werden. Wir gedenken der einsamen Männer und Frauen, der unbehüteten Knaben und Mädchen. Wir gedenken aller, die in Versuchung stehen, grausame Rache zu üben und vom Haß überwältigt zu werden. Wir gedenken der Menschen, deren Land der Krieg bedroht, und beten für sie alle zu Gott. – Stille. Herr unser Gott, nimm Dich gnädig aller Gefährdeten an. Führe uns nicht in Versuchung und erlöse uns und alle Menschen von allerlei Übel Leibes und der Seele.
  16. Lied 520: Es ist gewißlich an der Zeit … (EG 149)
  17. In diesen Zeitläufen hat Gott der Herr der Kirche besondere Aufgaben gegeben. Wehe jedem Volk, in welchem jetzt die Kirche ihre Pflicht nicht tut. Darum höret Gottes Wort, was es uns vom Ende aller Dinge zu sagen hat. Es steht geschrieben beim Evangelisten Lukas im 21, Kapitel, Vers 25-36: Und es werden Zeichen geschehen an der Sonne und Mond und Sternen …
  18. Gebet: Wir gedenken der heiligen christlichen Kirche unter allen Völkern. Wir bitten für ihre Ältesten und ihre Hirten, die das Evangelium auch jetzt ohne Scheu zu sagen haben. Wir bitten für die Kirchenleitungen, die darüber wachen sollen, daß die Wahrheit des Wortes Gottes nicht verfälscht wird. Wir bitten für die Gemeinden, daß sie in der Gemeinschaft des Wortes Gottes mit allen Christen fest bleiben, wir bitten für alle, die um Christi willen verfolgt werden. – Stille.
  19. Vater unser (**) (gemeinsam gesprochen). – Der Herr selbst läßt es uns bezeugen: Offenbarung 21, 1,4 : Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde. (…) Jesus Christus spricht: Solches habe ich mit euch geredet, daß ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden. Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi …
  20. Lied 311: Wachet auf, ruft uns die Stimme … (EG 147) (anschließend Feier des heiligen Abendmahles). (***)

Text siehe auch: https://jochenteuffel.com/2021/04/11/gebetsgottesdienst-anlasslich-drohender-kriegsgefahr-am-30-september-1938-herr-unser-gott-wir-armen-sunder-bekennen-vor-dir-die-sunde-unserer-kirche-ihrer-leitung-ihrer-gemeinden-und-ihrer-hirt/